Luxusgut Garten?
Ein intensiv gestalteter Garten, so wird von manchem behauptet, hat
keinen konkreten Nutzen für seinen Besitzer. Es ist etwas wahres dran:
Gemüse und Obst ernten kann man in einem Ziergarten kaum,
Fussballspielen ist auch nicht mehr möglich, weil sich die groben
Aktivitäten nicht mit den liebevoll gepflegten Beeten vertragen wollen.
Kurz und gut: je intensiver ein Garten gestaltet ist, desto mehr Arbeit
macht er, weil ja alles gepflegt werden will, aber desto weniger
direkten Nutzen bringt er.
Was hat doch das Haus in dieser Hinsicht für Vorteile zu bieten: Es ist
im Winter schön warm und im Sommer eher kühl, es ist behaglich, auch
wenn es draußen regnet oder schneit, es bietet Platz für den kompletten
Wohlstandsmüll, der sich in einem langen Leben anhäuft, für Auto,
Fernseher und was man sonst alles zum Leben braucht. Alles ist bestens
geregelt, die Wohlfühltemperatur von 21° C durchzieht konstant die
Jahreszeiten ohne allzu krasse, die Ruhe störenden Abweichungen. Auch
die Blumen im Wintergarten oder auf dem Fensterbrett fügen sich willig
in das menschliche Mittelmaß: Abgesehen von ein paar Blüten ist ihr
Anblick zwar immer belebend und schön, aber immer gleich.
Wie anders geht es doch draußen vor der schützenden Haustür zu: Da fegt
der Wind durch die Beete und knickt den Rittersporn, der sich gerade zu
seiner majestätischen Größe emporgearbeitet hatte. Der Kampf mit den
Schnecken um die leckersten Pflanzen beginnt schon im Spätwinter und
endet erst kurz vor Weihnachten. Im Sommer dörrt die Sonne die schönsten
Blüten, wenn man mal wieder vergessen hat, zu gießen, und im Winter
muss man mit der ständigen Angst leben, ob die nicht ganz so harten
Pflanzen, die man aber nicht missen will, es auch diesmal wieder
überleben werden.
So mancher kann hier nur den gnadenlosem Kampf ums Dasein erkennen, den
der Homo sapiens doch schon längst überwunden hat. Wozu also sich das
alles antun? - Wo der Kopf sich verständnislos abwendet, da versucht die
Seele, sich zaghaft Geltung zu verschaffen: Ist das, was da draußen am
"sausenden Webstuhl der Zeit" vorüberzieht, etwa nicht der "Gottheit
lebendiges Kleid"? Kann man das, was sich bei den meisten nur in
unbestimmten Gefühlen äußert, überhaupt in Euro und Cent ausdrücken?
Bei allem, was uns die Freude am Garten verderben will, kommt man doch immer wieder zu der einen Erkenntnis: Hier spielt sich echtes Leben ab. Hier ist nicht nur Umwelt, hier sind schöpferische Kräfte am Wirken. Hier lebt man die Atmosphäre der Natur, man ist nicht nur Beobachter von einem sicheren Platz aus, man nimmt hautnah Anteil an diesem Leben. Das tut manchmal weh, aber dafür ist auch die Freude umso größer, wenn man mitfühlen kann, wie das Leben sich der Sonne entgegendrängt und von ihr mit Farben und Düften belohnt wird.
In diesem Sinne kann sich hier der Keim entwickeln zu einer neuen Achtung vor unseren Lebensgrundlagen. Die Natur wird immer noch Stück für Stück zerstört, der sogenannte Homo sapiens führt den gnadenlosen Kampf ums Dasein fort und fort, weil er vergessen hat, daß er eine Seele hat, die er schützen muss. Ein schöner Garten wird die Welt nicht verändern, aber er kann ein Mosaikstein sein, um uns die Achtung und die Ehrfurcht vor dem Leben wieder zurückzuerobern.