Englburg Tittling
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Ralph Eid . Landschaftsarchitekt . Gerbersdorf 25 . 84381 Johanniskirchen . Tel 08564/91004

Das menschliche Maß oder
die Suche nach Nähe -
eine Schlossanlage

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Unter dem Thema 'Verstand oder Gefühl' (www.lebendige-gaerten.de/polaritaeten.htm) wurde vor einigen Jahren im Rahmen meiner 'Gartenphilosophie' (www.lebendige-gaerten.de/gartenphilosophie.htm) bereits versucht, mehr im Allgemeinen auf die unterschiedlichen Betrachtungsweisen einzugehen, die die Gestaltung eines Gartens beeinflussen. Mit der Englburg in Tittling besteht nun die einmalige Gelegenheit, diese allgemeinen Gedanken an einem konkreten Beispiel zu demonstrieren.

Die Geschichte von Schloss Englburg reicht bis ins 11. Jahrhundert zurück. Es liegt weithin sichtbar auf einem Bergrücken am Rande des Bayerischen Waldes. Seit einigen Jahren ist die Englburg im Besitz der MHS international (www.frucht-import.de). Die Burg beherbergt die Büroräume sowie die Wohnräume der Eigentümer und Arbeiter. Ganz traditionsgemäß bewohnen die Eigentümer den Turm mit der 360°-Fernsicht, den Arbeitern kommen die Räume zu, die früher wohl für Verwalter und Gäste vorgesehen waren, von wo die Aussicht nur eingeschränkt möglich ist. Ich nehme an, dass das Gesinde in früheren Zeiten außerhalb der Burgmauern untergebracht war. Allein daraus kann man schlussfolgern, dass wir (die – westliche - Menschheit) uns seit dem Mittelalter ein Stück weiter bewegt haben: Die Unterschiede in den sozialen Verhältnissen sind definitiv geringer geworden, wenn das 'Personal' heutzutage mit dem 'Burgherrn' quasi unter einem Dach wohnt.

Die Lage als Ausdruck der Macht

Das Kennzeichen einer Burg ist die erhabene Lage, von wo der Burgherr herannahende Feinde gut erkennen kann. Darüber hinaus hat er auch seine Untertanen gut im Blick, die im Bewusstsein ständiger Beobachtung nicht so leicht auf dumme Gedanken kommen. Was also eine gute Voraussetzung ist, um die Macht zu sichern, bringt auf der anderen Seite u.U. auch Nachteile mit sich. Der Platz da oben ist beschränkt, und damit auch die Bewegungsfreiheit. Was früher durchaus gewollt war, wird heute als Einengung empfunden.

So empfanden die neuen Besitzer die Aussicht von ihrer Wohnung aus im ersten Moment berauschend. Doch wie alles, an das man sich gewöhnt, den ersten Reiz verliert, wich der Rausch einem Gefühl der Beengung. Nach außen grenzenlose Weite, innen monumentale Architektur: was man als Mensch neben all diesen Demonstrationen der Macht braucht, um sich wohlzufühlen, war nicht vorhanden. Kein lauschiges Plätzchen, keine Aufenthaltsgelegenheit im Freien, wo man sich wohlfühlen könnte, kein freundliches Erscheinungsbild beim Betreten des Burghofes, nur leere Flächen. Das führte nach nur einem Jahr dazu, dass die Besitzer jedes Wochenende die Flucht ergriffen, um ihre Freizeit weit weg von der Burg zu verbringen.

Im Nachhinein erscheint es durchaus folgerichtig, dass man sich zur einschneidenden Verbesserung der eigenen Lebensqualität einen entsprechend gestalteten Garten, bzw. Außenraum wünschte. Doch so einfach ist das in der Regel nicht. Wenn man auch die Unzufriedenheit hautnah und tagtäglich erlebt, weiß man noch lange nicht, was einen zufrieden stellen könnte. Bei der Freiflächengestaltung, die mir dann übertragen wurde, stand zuerst v.a. die Frage im Raum: 'Was passt zu einem mittelalterlichen Gemäuer?', obwohl es doch im Kern um etwas ganz anderes ging, nämlich um die Frage: 'Was passt zu mir?', bzw. 'wie muss der Raum gestaltet werden, damit ich mich darin wohlfühlen kann?' Das Argument der Tradition, die auch bei der Gestaltung gewürdigt werden muss, und die immer die historische Ein- und Unterordnung fordert, fand große Wertschätzung beim Besitzer. Erst der Einwand, bei konsequenter Einhaltung der Tradition dürfe er nur mit einem Zweispänner statt mit seinen 150 Pferden das Burgtor passieren, stimmte ihn nachgiebig.

Allerdings hatte auch ich selbst keine rechte Vorstellung, wie die Alternative auszusehen hätte. Mein erster Vorentwurf für den Burghof beschränkte sich auf einen Rundweg mit Pflanzflächen, einem Sitzplatz unter der großen Kastanie, sowie Parkplätzen und Zufahrtmöglichkeiten zur Werkstatt und dem Brennholzlager. Nicht schlecht, aber auch nicht gerade spektakulär. Glücklicherweise war ich hier als Planer auch selbst an der Ausführung beteiligt, was den Planungsprozess viel flexibler gestaltet. Neue Ideen, die sich im Bauverlauf immer wieder ergeben, können unkompliziert umgesetzt oder auch gleich wieder verworfen werden.

Hier waren mir im Verlauf der Vorgespräche kleinere Granitplatten an der Oberfläche aufgefallen, die in der gekiesten Hoffläche unregelmäßig verteilt waren. Es bestand ein vager Grund zur Hoffnung, dass es sich dabei um die obersten Ausläufer des gewachsenen Felsens handelte, auf dem die Burg erbaut war. Als dann die Arbeiten begannen, zeigte sich sehr schnell, dass sich meine Hoffnung bestätigte: Die Granitplatten waren tatsächlich die obersten Felskuppen. Für die früheren Eigentümer waren diese Felsen wahrscheinlich ein großes Hindernis, das einer ebenen Hoffläche im Wege stand. Wenn man den Hof als Verkehrsfläche betrachtet, wo man mit der Pferdekutsche, oder heute mit dem Auto bequem im Kreis fahren kann, ist diese Sachlage tatsächlich ein Problem. Wenn dagegen der Innenhof Lebensraum ist, sind sie eine unvergleichliche Chance, von der andere ihr Leben lang träumen.

Das ursprüngliche Konzept wurde aufgrund der neuen Gegebenheiten leicht verändert, aber im wesentlichen beibehalten. Wo der Weg direkt über den Felsen führte, wurden großformatige Granitplatten, sog. Krustenplatten mit bruchrauher Oberfläche, einfach auf den gewachsenen Stein aufgelegt. Die Fugen wurden mit Hauswurz bepflanzt, damit der Übergang zwischen dem gewachsenen und dem neuen Stein mit der Zeit unsichtbar wird. Und wo die Natur einen Felsen vergessen hatte, wurde halt ein neuer eingebaut.

Intime Atmosphäre in der Natur

Der Gegensatz kann größer nicht sein: Vom Turm aus die perfekte Weitsicht, von der der Mensch seine erhabene Stellung genießt und wo die Natur zur unscheinbaren Kulisse für die eigene Größe erniedrigt wird. Im Innenhof dagegen wird die Nähe zur Natur gesucht: Die tote Natur der Felsen und Steine geben den Rahmen ab für die lebendige Natur in Form von üppig bepflanzten Staudenbeeten. Es wird zwar gestaltet und ergänzt, bei den Pflanzen wird eine Auswahl getroffen, es kommen kaum heimische Pflanzen zur Anwendung, und selbstverständlich muss auch gepflegt werden. Man mag es als idealisierte Natur bezeichnen. Letztendlich ist es eine Natur, die auf Augenhöhe mit dem Menschen existieren darf. Es ist nicht die wilde Natur, gegen die sich der Mensch zur Wehr setzen muss, um zu überleben; es ist aber auch nicht die besiegte Natur, über die sich der Mensch zum Herrscher aufgeschwungen hat.

Unter der Natur, die sich im Garten, bzw. in der gestalteten Umwelt offenbart, verstehe ich im weitesten Sinne alles, was lebt. Enger gefasst sind es v.a. die dynamischen Lebensprozesse, die sich im Werden und Vergehen zeigen. Auch das ist ausführlicher in meiner Gartenphilosophie (ein großes Wort für eine kleine Textsammlung, aber mir ist kein besseres eingefallen) unter www.lebendige-gaerten.de/gartenphilosophie.htm nachzulesen. Die schönen alten, abgetretenen Granitplatten, die ursprünglich den Zugang zum Haupteingang bildeten, konnten in das neue Konzept nicht integriert werden. Das führte zu der Idee, auf der Südwestseite eine neue Terrasse anzulegen.

Auf einer Fläche von durchschnittlich 10 m Breite und ca. 20 m Länge zwischen der Burg und einer 4 m tief abfallenden Trockenmauer wurde also der private Gartenteil des Burgherren realisiert. Ein Staudenbeet trennt die Terrasse vom Abgrund, weshalb auf eine Absturzsicherung verzichtet werden konnte. Über die mittelhohe Bepflanzung bleibt der Fernblick erhalten, der Einblick von der Wohnbebauung wird dagegen gemildert. Was das wichtigste ist: Durch die Einbettung in die üppige Bepflanzung entsteht eine intime Atmosphäre, obwohl der Blick ungehindert über den Bayerischen Wald schweifen kann. Auch hier ist das menschliche Maß gewahrt.

Beim Wettbewerb 'Gärten des Jahres 2017', ausgelobt vom Callwey-Verlag zusammen mit BGL, BDLA, DGGL, Mein Schöner Garten, Kann GmbH und Schloss Dyck, erhielt das Gestaltungskonzept der Englburg eine Auszeichnung. Insgesamt wurde ein erster Preis vergeben und drei Auszeichnungen. Eingereicht wurden etwa 100 Projekte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gewürdigt wurde 'das menschliche Maß oder die Suche nach Nähe'. Siehe unter http://www.callwey.de/blog/gaerten-des-jahres-2017-preisverleihung/

Bei der Preisverleihung wurde ich gefragt, wie man bei einer Burg auf die Idee mit dem menschlichen Maß verfallen kann. Darauf konnte ich nur antworten: 'Gar nicht'. Die Planung oder die Ausführung der Gestaltung wird nicht mit dem Verstand entschieden, sondern kommt sozusagen aus dem Bauch, also aus einem unbestimmten Gefühl heraus, und ergibt sich Schritt für Schritt mehr oder weniger von selbst. Dennoch sind die Erklärungen und Erläuterungen zur Gestaltung, auch wenn sie erst nach der Fertigstellung entstehen, nicht wild aus der Luft gegriffen. Jeder Mensch hat sich im Laufe seines Lebens eine Weltanschauung erarbeitet, die in seine Arbeit einfließt, die sie beeinflusst oder sogar bedingt. Was ihn innerlich bewegt, wird sich also auch in seiner Arbeit niederschlagen, insofern er authentisch ist.

Das beantwortet mir jetzt auch die Frage, die ich mir immer wieder mal gestellt habe: Ein großer Teil meiner Homepage wird von Themen eingenommen, die mit dem Garten nichts mehr zu tun haben. Es würde also nahe liegen, eine Seite rein für den Landschaftsarchitekten und eine für den Gesellschaftskritiker ins Netz zu stellen. Doch die Ausführungen über die Natur, das Leben, die Nähe und das menschliche Maß sind ja keine abstrakten Ideen, die keinen Bezug zur Persönlichkeit des Gärtners in mir haben, sondern Ausdruck einer mitunter schwer erkämpften Lebensanschauung. Auch wenn die Themen weit auseinander liegen, ist die Persönlichkeit des Autors keine gespaltene, sondern eine einheitliche. Und deshalb bleibt es auch bei der einheitlichen Webadresse.

 

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