Bambus
.     startseite . impressum/datenschutz . übersicht/sitemap . karte . kontakt .
Ralph Eid . Landschaftsarchitekt . Gerbersdorf 25 . 84381 Johanniskirchen . Tel 08564/91004

Garten – Leben erleben
Eine kleine Philosophie des Gartens

Verstand oder Gefühl

Beim Garten geht es um Gefühle. In erster Linie wohl um das Wohl-Fühlen. Die Voraussetzungen dazu sind nicht bei jedem die gleichen. Deshalb wird es auch nie den einen Entwurf für die Gartengestaltung geben. Wichtig im Vorfeld ist aber, dass man sich über seine Gefühle im Klaren wird, so weit das irgend geht. Dazu sollte man sich mit dem Thema auseinandersetzen, weil man sonst Gefahr läuft, etwas als gegeben hinzunehmen, was bei näherer Betrachtung sich als relativierbar herausstellt.

Man stelle sich vor, man steht auf einer Bergspitze, weit über der Baumgrenze, wo es nur noch Fels und Steine gibt, höchstens noch ein paar Kräuter und Grashalme. Die Landschaft liegt weit ausgebreitet vor einem. Alles ist weit entfernt und wirkt aus dieser Perspektive klein bzw. wird unsichtbar. Man fühlt sich groß, frei und erhaben. Nicht, weil man gewachsen ist, nein: weil durch die perspektivische Veränderung die Umwelt kleiner geworden ist. Man gibt sich einer Täuschung hin, weil man doch immer noch der gleiche Mensch ist, der man vorher war und der man wieder sein wird, wenn man wieder im Tal angekommen ist. Nur für den Augenblick genießt man die Weite und die Stille und gewinnt Abstand von den bisweilen mühseligen und frustrierenden Niederungen des Daseins.

Das (oder ein) Gegenteil ist ein kleiner, offener Platz in einem Tal, vielleicht in einer Waldlichtung, umgeben von hohen Gräsern und blühenden Pflanzen. Ein kleiner Bach schlängelt sich durch das Tal. Man hört ein leichtes Plätschern, man hört Vögel zwitschern, Insekten summen, kurzum: man ist umgeben von üppigem Leben. Hier ist man einer unter vielen. Nichts besonderes in der Fülle des Seins. Weder Weite, noch Stille, dafür aber Idylle.

Auf der Bergspitze ist man allein; je höher man steigt, umso weniger Platz ist dort für andere. Die Freiheit und Größe, die man dort spürt, kann man nur mit ganz wenigen teilen. Nahrungsmittel gibt es hier keine mehr - alles was man zum Überleben braucht, muss man von unten mitbringen. Und man steht überall unmittelbar am Abgrund. Ein falscher Schritt, und die erhabene Größe weicht der Ohnmacht vor den Gewalten der Natur. Ganz anders ist die Situation im Tal. Dort ist man klein inmitten von all dem anderen Leben, oder neben einem Baum, der einen um ein Vielfaches überragt. Doch diese Kleinheit hier unten wird nicht zur Ohnmacht, sondern zur Geborgenheit. Der Baum, der größer und mächtiger ist, bietet Schutz statt Gefahr. Von den Früchten kann man sich ernähren, Wasser zum Trinken ist ausreichend vorhanden. Auch wenn man weiß, dass hinter all dem Leben ständig Existenz- und Konkurrenzkämpfe stattfinden, so ist doch eine relative Sicherheit vorhanden. Man mag sich hier klein fühlen, dafür ist man aber nicht auf sich allein gestellt, sondern Teil des üppigen Lebens, das sich hier entfaltet, man ist geborgen in der Fülle des Seins.

Bei der Anlage eines Gartens hat man es mehr oder weniger mit diesen beiden Situationen zu tun, zumindest im übertragenen Sinn. Ich habe immer die Idylle bevorzugt, deshalb ist mir erst sehr spät so richtig bewusst geworden, dass man die aus dem Garten auch ausblenden kann. Doch in den letzten Jahren stehen gerade diese Betrachtungsweisen wieder sehr stark im Vordergrund der Gartenarchitektur. Wobei bereits der Name schon die Richtung weist. Bei allen den Beispielen, die in den Fachzeitschriften oder in Wettbewerben in der ersten Reihe stehen, steht die Architektur im Vordergrund, der Garten degeneriert zum Abstandsgrün. Der Trend der Zeit geht zum Minimalismus: klare Formen (vorwiegend quaderförmig) in Anlehnung an die Bauhausarchitektur, viel Glas. Ans Haus anschließend eine große Terrasse, vorwiegend über das Gelände herausragend. Kein fließender, bzw. barrierefreier Übergang, sondern ein harter Schnitt. Darunter Rasen mit Blick in die Landschaft. Gerade an der Terrasse ist die Absicht des Bauherren gut zu durchschauen: Hier wird nicht die Nähe zur Natur gesucht, sondern der erhabene Standpunkt gegenüber der Natur, bzw. der Landschaft, was in den Augen der Beteiligten wahrscheinlich das Gleiche ist. Das Motiv der Renaissance und im daran anschließenden Zeitalter des Rationalismus - der Mensch als Herrscher über die Natur - lebt hier wieder auf.

Auf den ersten Blick ist diese Entwicklung unverständlich. Unsere Zeit ist geprägt von der zunehmenden Einsicht, dass wir nicht mehr so weiter wirtschaften können wie bisher. Einerseits wird die Energie knapp - die Ölvorräte schwinden, regenerative Energien können den Bedarf bei weitem nicht decken; andererseits beanspruchen immer mehr Menschen gleiche Lebensstandards wie die Industrienationen, was den Mangel noch verschärft. Die Naturzerstörung nimmt weiter zu, der Trend zu regenerativen Energien fördert diese Entwicklung mehr als man ursprünglich geglaubt hatte. Biogasanlagen, Bio-Kraftstoffe oder Ethanol zur Stromerzeugung nutzen Nahrungsmittel zur Energiegewinnung, die andernorts fehlen bzw. die Preise extrem in die Höhe treiben. (Genaugenommen benötigt die Produktion die gleichen Flächen wie die der Nahrungsmittelproduktion, aber das kommt letzten Endes auf das gleiche heraus.) Gar nicht zu reden von der Klimaproblematik, die wir trotz vollmundigem Gerede nicht in den Griff bekommen werden, ohne unsere prinzipielle Einstellung zu ändern. Man sollte also meinen, die Zeit dränge zu einer Bewegungsumkehr in Richtung "Small is beautiful", was zumindest die schädliche Entwicklung verlangsamen würde, wenn auch nicht umkehren. Doch wie es scheint, ist eher das Gegenteil der Fall. Hier auf dem Land scheinen die neu gebauten Einfamilienhäuser immer größer zu werden - auch Otto Normalverbraucher findet es offenbar schick, sich ein (gefühltes) Schloss zu bauen. Auch die Zahl der großen Autos, sowohl vom Raumangebot (SUV oder Van) als auch bzgl. der Leistung, nimmt immer weiter zu statt ab. Das sind nur zwei Tendenzen, die man leicht erweitern könnte. Es hat den Anschein, als ob die Menschheit den Größenwahn noch einmal so richtig auskosten wolle, bevor das definitiv nicht mehr möglich ist. Die Parallele zum Garten ist offensichtlich: Nicht die Harmonie im Miteinander mit der Natur wird gesucht, sondern der erhabene Platz über dem Rest der Welt, das Auskosten des Individualismus, der Macht des Einzelnen.

Wenn ich auch hier zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen gegenüberstelle, so will ich das doch keineswegs als Wertung verstanden wissen. Es ist lediglich als Charakterisierung gedacht. Die Welt ist voll von Polaritäten, zwischen denen hindurch man seinen Weg finden muss. Das Leben bewegt sich zwischen Polaritäten hin und her, es ist eingebunden in ein Spannungsfeld von unterschiedlichen Extremen. Problematisch wird es dann, wenn man glaubt, man müsse sich für den einen oder anderen Standpunkt entscheiden. Dann läuft man Gefahr, blind zu werden für die Vorzüge, bzw. die positiven Aspekte des jeweils anderen. In meinen Gartenmeditationen habe ich mehrfach darauf hingewiesen.

So hat die Wanderung auf den Berggipfel durchaus ihre Berechtigung. In der erhabenen Position bekommt man den Kopf frei von manchem, was man alltäglich mit sich an (vermeintlichen) Problemen herumschleppt. Andererseits wird der Aufenthalt im Tal mit der Zeit vielleicht beengend, wenn man nur senkrecht über sich ein Stück blauen Himmel sieht, aber kein Stück Horizont. Mir wird das immer wieder bewusst, wenn ich einen Garten, der im Laufe der Jahre dicht zugewachsen ist, auslichte oder sogar rode. Man fühlt sich befreit, wenn man den Blick wieder in die Ferne schweifen lassen kann.

Wenn man einmal von der „Gefühlsduselei“ absehen will, dann wird man ganz praktische Gründe finden, warum man einen leeren, minimalistischen Garten vorzieht. Er ist pflegeleichter – das ist nicht zu leugnen. Ab und zu einmal kehren, mit der Giftspritze hantieren und ansonsten nur regelmäßig Rasen mähen reicht in der Regel aus, um das ganze dauerhaft in einem Top-Zustand zu erhalten.

Bei dem üppig bepflanzten Garten ist das in der Tat anders. Da muß man regelmäßig etwas tun. Unkraut jäten, Blätter zusammen kehren, Gehölze schneiden, kümmernde Pflanzen wieder hochpäppeln oder austauschen, und im Winter die gesamte Staudenfläche zurückschneiden und das Schnittgut in der Regel entsorgen. Nicht daß man ständig hinterher sein müßte und zu etwas anderem kaum noch kommen würde – mit ein paar Stunden im Monat kommt man normalerweise gut zurecht. Man kann nicht einmal sagen, dass man mehr an Arbeit aufwenden muss als in dem leeren Garten. Auch Rasen mähen einschl. der notwendigen Nebenarbeiten wie Schnittgut entsorgen erfordert ja einen nicht unerheblichen Zeitaufwand. Der entscheidende Unterschied besteht in der Art der Arbeit. Die Pflegearbeiten in dem minimalistisch angelegten Garten können rein mechanisch durchgeführt werden, ohne etwas von den Dingen zu verstehen, mit denen man es zu tun hat. Man kann den Garten wie einen leblosen Raum betrachten, den man regelmäßig putzen muss. (Ich vermute, dass die meisten Befürworter dieser Garten(Un-)art sich über eine andere Auffassung wundern würden.) Um den "lebendigen" Garten dagegen muss man sich sorgen. Man muss die Zusammenhänge zumindest im Ansatz verstehen, man muss wissen, wie die Pflanzen wachsen, welche Licht-, Wasser- oder Bodenverhältnisse sie benötigen, wie sie mit Konkurrenz umgehen und manches andere. Auch über das Unkraut sollte man Bescheid wissen. Da gibt es Kräuter, die man ruhig länger stehen lassen darf, ohne dass sie zu einem Problem werden. Andere wiederum (das Paradebeispiel ist die Quecke), muss man so früh wie möglich aufspüren und ausmerzen. Auch das ist nicht wirklich schwierig, wenn man sich damit beschäftigt. Doch ohne eine Beschäftigung mit den Lebensverhältnissen der Pflanzen, ohne eine innere Beziehung zu der grünen Umgebung, wird man über kurz oder lang Schiffbruch erleiden. Leider ist das eher die Regel als die Ausnahme: Durch falsche oder vernachlässigte Pflege verkommen die schönsten Gärten schon nach relativ kurzer Zeit.

Löhwenzahn Spitzwegerich

Wer es sich leisten kann und will, kann die Pflege natürlich den Fachleuten überlassen. Im Prinzip ist das aber gar nicht so sehr verschieden von der Selbermacher-Variante. Man kann sich durchaus realistisch einschätzen und sich sagen: "Ich habe weder das Wissen noch die Zeit oder die Lust oder die Geduld oder was auch immer, um eine der Situation angemessene Pflege zu gewährleisten. Deshalb überlasse ich diese Arbeiten einem anderen, der sie besser versteht als ich." Auch bei diesem Standpunkt muss eine eingehende Beschäftigung mit der Thematik vorausgehen. Man muss sich über den Wert der Pflege im Klaren sein. Man muss wissen, warum ein anspruchsvoll angelegter Garten nicht von einem ungelernten Schwarzarbeiter oder dem Hausmeister, der sowieso immer wieder vor Ort ist, gepflegt werden kann. Auch wenn man letztendlich nicht selbst Hand anlegt, muss man wissen, auf was man sich einlässt. Und dazu muss man sich gründlich damit auseinandersetzen. Diese recht profane Betrachtung über die Pflege hat einen tieferen Hintergrund: Die beiden Ausgangspositionen dieser Betrachtung - die erhabene Position auf dem Berg und die Idylle im Tal - stehen in enger Beziehung damit. Wenn die Welt unter mir klein erscheint, wird sie mehr oder weniger unwichtig. Wahrnehmbar ist nur das große Ganze. Details sind kaum zu erkennen, es gibt nichts, was mich innerlich berührt. Der Abstand zwischen mir und der Welt ist einfach zu groß. Je näher ich den Dingen komme, desto intensiver nehme ich sie wahr. Verständnis, Interesse, Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Sorge braucht enge Distanz. In der Nähe wird die eigene Größe gemindert, die des Gegenübers wird dafür umso größer. Man kann das recht plastisch an Nahaufnahmen von normalerweise unscheinbaren Pflanzen erkennen. Was sonst keine Aufmerksamkeit erregt, wird in der Detailansicht plötzlich zu einem Kunstwerk. Die Allerweltsblüte des Löwenzahns oder des Wegerichs bekommt einen Hauch des Außergewöhnlichen. Die beiden Ausgangspositionen lassen sich auf einer prinzipiellen Ebene mit dem generellen Unterschied zwischen Denken und Fühlen vergleichen, bzw. zwischen Verstand/Vernunft und Emotion. Das Denken ist distanziert - es braucht Abstand, um vergleichen zu können, es muss ein möglichst großes Umfeld überblicken, um objektiv urteilen zu können. Objektivität ist die Domäne des Denkens. Das Gefühl ist mehr subjektiv geprägt. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es weniger wert ist. Im Gegenteil: wenn es die Passivität überwindet und zu einer aktiven Tätigkeit wird, hat es das Potential, über das rein persönliche Empfinden hinauszugehen. Dann bedeutet Fühlen gleichzeitig auch Mitfühlen. Das Gefühl kann sich in andere Wesen "einfühlen", die Trennung zwischen Subjekt und Objekt verschwimmt. Das sind reale Eindrücke, keine Illusionen oder Hirngespinste. Aber eben dadurch, dass die Trennung zwischen Fühlendem und Gefühltem mehr oder weniger aufgehoben wird, sind die Eindrücke i.d.R. nicht klar und deutlich. Persönliche Anschauungen, Vorlieben und Abneigungen, mischen sich sehr leicht unter diese Eindrücke, ohne dass man sich dessen bewusst wird. Es entsteht ein Gemisch aus Objektivität und Subjektivität, was es schwierig bis unmöglich macht, den Wahrheitsgehalt herauszufiltern. Gerade deshalb legt unsere Zeit vordergründig so viel Gewicht auf Vernunft und Objektivität. Das wäre nichts prinzipiell Schlechtes, wenn kein Absolutheitsanspruch entstehen würde, der die Gefühlsebene diskreditiert. Jede Einseitigkeit ist mit einem Mangel verbunden. Erst aus der Verbindung gegensätzlicher Positionen kann ein Ansatz zur Vollständigkeit erwachsen.

Dass unsere Zeit nicht so rational ist, wie sie sich gerne sieht, zeigt die nun bereits seit einigen Jahren andauernde Wirtschafts-, bzw. Bankenkrise. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die ach so rational arbeitende Ökonomie auf Vertrauen angewiesen ist. Die Politiker beschwören in ihren Äußerungen, wie wichtig es ihnen ist, das Vertrauen der Märkte wieder herzustellen. Die Rettung von strauchelnden Banken oder Nationen ist vordringlich der Bedienung dieses dubiosen Gefühls der Ohnmacht vor den "Animal Spirits", wie Maynard Keynes das nannte, geschuldet. In diesem Zusammenhang ist das Buch von Tomas Sedlacek - Die Ökonomie von Gut und Böse - sehr aufschlussreich. Sedlacek lehrt an der Prager Karls-Universität, ist Chef-Ökonom der größten tschechischen Bank und Mitglied des nationalen Wirtschaftsrates in Prag. Er schreibt: "Mit Animal Spirits scheint das gemeint zu sein, was uns - ein wenig irrational - motiviert, animiert und beseelt, was uns unsere Ziele, Hoffnungen, Zwecke und Träume gibt. Es lässt sich nicht vorhersagen und auch nicht leicht mathematisch analysieren. John Maynard Keynes definierte die Animal Spirits einmal als eben die unvorhersehbaren menschlichen Dränge, die die Aktienmärkte beeinflussen und die Konjunkturzyklen antreiben. Oder, um es mit den Worten zweier großer Ökonomen zu sagen: 'Andererseits lässt es (Adam Smiths Gedankenexperiment) außer Acht, dass Menschen sich auch von nichtökonomischen Motivern leiten lassen, dass sie verschiedentlich irrational handeln und falschen Vorstellungen folgen.'" Gefühle beherrschen die Welt. Wenn sie uns beherrschen, nennt man sie in positivem Sinne Leidenschaften und im negativen Sinn Gier oder Begierden. Sie sind eine Art 'Black Box' mit vielen Eingängen und Verschaltungen, was eine objektive Analyse ihres Wahrheitsgehaltes so schwierig macht.

Der Verstand ist eigentlich nur in der Lage, die Gesetze der unbelebten Natur zu erfassen. Da allerdings ist er unübertroffen. Was die Naturwissenschaften in den letzten paar Jahrhunderten an Erkenntnissen über die Naturgesetze gewonnen, und darauf aufbauend an technischen Anwendungen entwickelt haben, verdient höchste Anerkennung. Wenn es um die belebte Natur geht, stößt das Denken an seine Grenzen. Da gelangt es nur bis zu den (bio-)chemischen Prozessen, oder zu den äußeren Zusammenhängen, die die Ökologie untersucht. Das Leben an sich ist dem Denken nicht zugänglich. Ich will nun nicht behaupten, dass das dem Gefühl gelingt - das wäre zu weit gegriffen. Aber auf der Gefühlsebene existieren Verbindungen zu anderen Wesen, die weit über das hinausgehen, was der Verstand leisten kann. Wer kennt nicht das intuitive Erfassen der Stimmung eines geliebten Menschen, das keine Worte braucht. Oder die Beziehung zu einem Haustier, die manche Ähnlichkeit aufweist. Wer die Existenz einer irgendwie gearteten Seele in Erwägung zieht, der wird nicht alles, was "Gefühlssache" ist, als subjektiv und damit irrelevant einstufen. Auch wenn alles, was das Gefühl betrifft, nicht so richtig konkretisier- und fassbar ist, so hat es doch Substanz, die man nicht einfach wegleugnen kann, weil man das alles nicht versteht. Ich habe den Eindruck, in den letzten Jahren finden sich vermehrt Hinweise, die unsere Wahrnehmung in dieser Richtung erweitern wollen. Da findet man auf einmal in einer ganz profanen Fachzeitschrift (Dega GaLaBau 2/20102) in einer Serie über gute Gestaltung von Dr. Jürgen Milchert (Prof. für Freiraumplanung und Gartenkunst Hochschule Osnabrück) als ein Kriterium unter vielen anderen den Satz: "Hausgärten sind schön, wenn sie als Teil einer spirituellen oder religiösen Bewegung gelten können, wenn sie beispielsweise als Blickfenster ins All dienen". Dieses Zitat ist angelehnt an die Kernaussage in Harrisons Buch "Gärten - ein Versuch über das Wesen des Menschen", das ich an anderer Stelle ausführlicher erwähne.

Zwei Dinge gilt es allerdings zu beachten, wenn man sich nicht in seinen Gefühlen verlieren will. Zum einen sollte die Vernunft nicht vernachlässigt werden, weil Gefühle auch täuschen können. Wenn mir ein Gefühl etwas vermitteln will, was die Vernunft als falsch entlarvt, dann ist größte Vorsicht geboten. Nur wenn das Gefühl sich nicht in dunklen Kanälen den Weg in den Willen bahnen kann, wenn es vom Bewusstsein erfasst wird, bevor es zu Aktivität verleitet, wird es seine positiven Wirkungen entfalten. Es geht nicht darum, das Gefühl zu vernachlässigen, weil es dem Denken gegenüber minderwertig ist, sondern darum, es mit Bewusstsein, mit Denken zu durchdringen, um fruchtbare von unfruchtbaren Empfindungen unterscheiden zu können.

Das zweite Problem kann man verstehen, wenn man sich das Beispiel vom Anfang dieser Betrachtungen, die Situation in einem idyllischen Tal, so recht plastisch vergegenwärtigt. "Man fühlt sich klein inmitten von all dem anderen Leben", so wurde die Situation dort bereits charakterisiert. Jedes lebende Wesen beansprucht seinen Platz und es besteht die Gefahr, dass man sich überwältigt fühlt von all den Ansprüchen der anderen. Es muss ein Gleichgewicht vorhanden sein zwischen dem Wissen um den Wert des anderen und dem eigenen Wert. Ohne ein vernünftiges Selbstwertgefühl wird man sich erdrückt fühlen. Man muss innerlich stark sein, um die Ansprüche des anderen achten zu können ohne sich selbst zu verlieren. Man muss zwar in der Lage sein, sich selbst zu vergessen, sein "niederes Ich", wie es in der Esotherik heißt, loszulassen, weil man nur dann sein Gegenüber vorurteilslos erfassen und verstehen kann. Aber man muss sich auch wieder davon trennen können, man braucht die Kraft des Selbstwertes, um sich wieder zu finden. Das ist im Prinzip leicht nachzuvollziehen: ich kann z.B. einen Menschen, der einen Diebstahl (oder ein schwereres Delikt) begangen hat, verstehen, ich kann nachvollziehen, was ihn dazu gebracht hat - ich muss mich dann aber wieder davon befreien können, wenn es darum geht, ein Urteil über Recht oder Unrecht zu fällen. Von einem etwas anderen Standpunkt aus habe ich das unter der Überschrift "Todeserfahrung" beschrieben. Was sagt uns das alles? Gefühle sind zwar nicht das Maß aller Dinge, aber ohne die Sensibilität wird das Leben einseitig. Das Gefühl kann sich, wenn es zum Mitgefühl wird, in andere Wesen einfühlen, es kann das eigene Wesen mit dem der anderen verbinden und gelangt damit unmittelbar zur Wahrnehmung des anderen.

Das alles hat uns jetzt sehr weit vom Garten weggeführt, und es ist nicht leicht, den Weg zum Ausgangspunkt wieder zurückzufinden, ohne willkürlich zu erscheinen. Auch wenn hier nur einige wahllos ausgewählte und nicht zusammenhängende Stichpunkte angerissen wurden, ist die Richtung ziemlich deutlich: Wenn es um lebende Wesen geht, zu denen auch der Mensch gehört, aber eben nicht nur der Mensch, wenn es also um das Leben an sich geht, dann ist das Gefühl dem Denken überlegen. Nur dem einfühlsamen Charakter ist es gegeben, ein anderes Wesen so zu sehen, wie es wirklich ist, seine Ängste, Zweifel, Hoffnungen zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Je komplexer ein Wesen ist, desto schwieriger ist das.

Beim Menschen wird das besonders deutlich. Im Vordergrund seines Wesens stehen nicht die reinen Lebensfunktionen. Die werden eigentlich erst wichtig, wenn eine Krankheit auftritt. Beim gesunden Menschen funktioniert das Leben reibungslos und unbewusst. Die individuellen Lebensäußerungen, das Denken, Fühlen, Wollen, zeichnen ihn dagegen wesentlich stärker aus. Das Denken gehorcht mehr oder weniger gleichmäßig bei allen Vertretern den Gesetzen der Logik, wenn man von den letzten Naturvölkern absieht, die noch in einer ursprünglichen, magischen Weltanschauung beharren. Das Fühlen und Wollen ist lang nicht so allgemeingültig, sie sind bisweilen ziemlich chaotisch bereits im einzelnen Menschen und darüber hinaus von Mensch zu Mensch verschieden; in ihren Grundzügen variieren sie sogar von Nation zu Nation.

Das Tierreich ist schon einfacher gestrickt. Abgesehen davon, dass man hier nicht im gleichen Sinne von Denken sprechen kann, findet man innerhalb einer Rasse keine individuellen Ausprägungen der Lebensäußerungen. Die Verschiedenheit zeigt sich in den Unterschieden der einzelnen Rassen oder Arten. Auch hier werden die reinen Lebensfunktionen überlagert von artspezifischen Instinkten.

Noch eine Stufe tiefer, im Pflanzenreich, kommt Leben wesentlich reiner zum Ausdruck. Individuelle Lebensäußerungen kommen hier so gut wie gar nicht vor. Was ein einzelnes Tier z.B. als Angst empfindet, ist bei den Pflanzen nur noch auf bloße chemische Reaktionen reduziert. Pflanzen reagieren zwar auf Schädlingsbefall, indem sie bestimmte Duft- oder Giftstoffe produzieren und ins Gewebe einlagern bzw. aussenden, doch das geschieht auf einer elementaren Ebene ohne dass ein ähnliches Bewusstsein wie beim Tier oder gar beim Menschen daran beteiligt wäre.

Würde man noch eine Stufe weiter nach unten gehen, käme man in den Bereich des rein materiellen, ins Mineralreich. Dort gelten nur noch die Naturgesetze, die Physik und die Chemie. Es ist zwar faszinierend, diese Gesetze zu erforschen und zu verstehen, doch der Versuch, das Leben allein aus diesen Gesetzen heraus zu erklären, ist fraglich. Das Leben organisiert zwar die physikalische Materie, es wird aber nicht von ihr bestimmt. Das geschieht erst mit dem Tod eines Organismus: Erst wenn das Leben sich zurückzieht, beginnt wieder die Vorherrschaft der physikalischen Gesetze.

Man kann also das Leben am ehesten dort erfassen, wo es sich auf der niedersten Stufe manifestiert: im Pflanzenreich. Dort ist es noch "rein" im Sinne von elementar, wenn man das so nennen darf. Womit sich der Kreis zum Garten wieder schließt. Dort hat man etwas ähnliches wie in der Naturwissenschaft, die komplexe Zusammenhänge auf wenige elementare Zustände reduziert, um auf diese Weise immer mehr und mehr von den Gesetzen der unbelebten Natur zu erforschen. Im Garten wird die belebte Natur ebenfalls auf den Teilbereich reduziert, zu dem der Besitzer ein inniges Verhältnis aufbauen kann.

Dem einen oder anderen wird das alles sehr weit hergeholt erscheinen. Warum nicht einfach einen schönen Garten anlegen, an dem man sich erfreuen kann? Dagegen habe ich nichts einzuwenden. In der Praxis gehe ich auch auf diese Art und Weise vor. Wie anfangs beschrieben, steht im Vordergrund das Wohlfühlen. Trotzdem glaube ich, dass man sich quasi durch die Hintertür und weitgehend automatisch im Garten in eine andere Welt einlebt. Die Sorge um das Gedeihen der Pflanzen und die Erhaltung der Schönheit führt zu einer innigen Verbindung mit den Lebenserscheinungen da draußen.

Von dort ausgehend, ist der Garten sozusagen ein Tor in die Welt der anderen Wesen. Die intime Atmosphäre sorgt für intensive Wahrnehmung, für Mitgefühl und Einfühlungsvermögen.

 

best private
plots 2008

Landeswettbewerb 2002
Grün und Erholung

¦

Bewertungen
auf Google

¦

aktuelles
auf Facebook

¦
Rufen Sie an
08564/91004